
Witschi Werkhof, Montagmorgen, sieben Uhr. Draussen herrscht Weltuntergangsstimmung. Es giesst wie aus Kübeln. Bruno Fernandes sitzt am grossen Tisch im Sitzungszimmer und wartet gespannt auf die Interviewfragen, die da kommen mögen. Sein südländischer Teint, die kurzen, schwarzen Haare, das freundliche Lächeln – ein durchaus willkommenes Kontrast-programm zum nasskalten Wetter, das die Schweiz und den Oberaargau bereits seit mehreren Wochen fest im Griff hat. Die Wetterkapriolen sind nichts für Bruno Fernandes und sein sonniges Gemüt. Während solcher Schlechtwetterphasen denkt er oft an seine portugiesische Heimat, die Region Aveiro südlich von Porto. Seine Gedanken daran wärmen ihm das Herz. Er macht keinen Hehl daraus, dass er früher oder später nach Portugal zurückkehren möchte. In acht, neun oder zehn Jahren vielleicht. Darüber weiss auch die Firma schon Bescheid. «Meine Vorgesetzten kennen meine Zukunftspläne, wir reden ganz offen darüber», versichert der Strassenbauer.
Seit sieben Jahren ist er der Firma treu ergeben. Zuvor arbeitete er auf dem Bau in Deutschland. Wegen seiner Frau, eine Portugiesin, die in Deutschland aufgewachsen ist, zog die Familie schliesslich in die Schweiz. Seine Frau fand eine gute Anstellung als Teamleiterin in einem Buchzentrum. Mit ihren beiden halberwachsenen Töchtern wohnen sie in Langenthal. «Nur Frauen bei mir zuhause! Ich habe es nicht einfach als Familienvater», scherzt Bruno Fernandes.
Eigentlich ist er ausgebildeter Informatiker. Ohne Deutschkenntnisse musste er, als er mit 20 Jahren in die Gefilde unseres nördlichen Nachbarn kam, im Baugewerbe Fuss fassen. Für ihn kein Problem: «Die Arbeit auf dem Bau gefiel mir gut; ausserdem brauchte ich damals, als frischgebackener Papa, ein sicheres Einkommen und berufliche Stabilität», erzählt Bruno Fernandes, der sich heute eine Rückkehr in sein ehemaliges Fachgebiet nicht mehr vorstellen kann. «Seither hat sich in der Informatik so vieles verändert und alles ist so schnelllebig geworden ... nein, es ist schon gut so, wie es herausgekommen ist – ich arbeite gerne auf dem Bau und bin dankbar für alles, was ich habe.»
Bruno Fernandes ist ein genügsamer Mensch. Das zeigt sich auch bei seinen Hobbys. Er spielt Fussball. Punkt. Ansonsten trinkt er nach Feierabend mit seinen Arbeitskollegen gerne ein Bier und verbringt anschliessend Zeit mit seiner Familie. Stolz erzählt der 43-Jährige von seiner jüngsten Tochter, die ebenfalls Fussball spielt und als Nachwuchshoffnung der Schweizer Frauen-Nationalmannschaft gilt. Beide Töchter sehen ihre Zukunft in der Schweiz. Dass ihre Eltern in einigen Jahren nach Portugal zurückkehren wollen, wissen sie. «Es ist nicht einfach, aber jedes Familienmitglied muss seinem eigenen Herzen folgen», versucht Bruno Fernandes die Situation einzuordnen.
Apropos Familie: Der gebürtige Portugiese weiss die Firmenkultur bei Witschi sehr zu schätzen und hebt in diesem Zusammenhang insbesondere den kameradschaftlichen Umgang und die familiäre Stimmung hervor. «Ich habe bei Witschi eine zweite Familie gefunden», sagt Bruno Fernandes, der dankbar dafür ist, dass seine Arbeitskollegen und Vorgesetzten trotz stetig wachsendem Zeit- und Kostendruck noch immer sehr viel Wert auf Menschlichkeit, Qualität und Sorgfalt legen. «Das ist selbst dann so, wenn tagsüber auf der Baustelle mal alles drunter und drüber geht und grobe Flüche ausgestossen werden – abends beim Feierabendbier klopfen wir einander wieder auf die Schultern und besprechen ganz sachlich, was es am nächsten Tag zu tun gibt.»
In jüngster Vergangenheit war Bruno Fernandes auf einer Baustelle mitten in Melchnau tätig – ein mehrjähriges Grossprojekt mit Strassensanierung und Umsetzung von Hochwasserschutzmassnahmen. Viel Interessantes – aber auch viel Repetitives – konnte er während dieser Zeit umsetzen. Sich abwechselnde Tätigkeiten sagen ihm eher zu als ständig das Gleiche tun zu müssen. «Ich mag es, wenn ich mitdenken und eine Baustelle aktiv mitgestalten kann.» Nach vielen Monaten in Melchnau freut er sich deshalb auf ein neues Bauprojekt an einem anderen Ort, mit neuen Herausforderungen und – so Gott will – hoffentlich auch mit besserem Wetter.
«Im Hochsommer, wenn es manchmal brütend heiss ist und dir auf der Baustelle der Schweiss von der Stirn tropft, kann es zwar auch sehr hart sein. Aber: Ich bin Portugiese – ich liebe den Sommer!», lacht Bruno Fernandes, der sich beim Gesprächsführenden noch rasch für das Interview bedankt, bevor er mit dem Firmenwagen zu seinen Teamkollegen eilt, die in Melchnau bereits ihre Montagmorgenschicht in Angriff genommen haben.
Text: Patrick Jordi
Bild: Martina Flury Witschi
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