
Bendicht Witschi, auf einer Skala von eins bis zehn – wie geht es der Witschi AG aktuell? Das ist eine schwierige Frage. Wir liegen ungefähr bei einer Sieben, würde ich behaupten. Als KMU, das vor allem im Bauhauptgewerbe tätig ist, stellen sich uns ständig neue Herausforderungen, es eröffnen sich aber auch immer wieder neue Chancen.
Ich dachte, wer in Ihrer Branche tätig ist, verdient relativ locker viel Geld. Dass sich Baufirmen dumm und dämlich verdienen, ist ein Klischee, das sich hartnäckig hält. Dem ist nicht so. Früher sah die Welt vielleicht noch ein bisschen anders aus. Ende des letzten Jahrhunderts konnte man sich auf dem Bau noch gewisse Versäumnisse erlauben und war trotzdem rentabel.
Das ist heute also ganz klar nicht mehr so? Nein, die Luft ist extrem dünn geworden. Es gibt heute zahlreiche Mitbewerbende, die bei Ausschreibungen mit spekulativen Angeboten Bauaufträge gewinnen wollen. Gepaart mit einem professionellen Claim Management (Nachtragseinforderungen) wird am Schluss dann anders abgerechnet als ursprünglich angeboten.
Warum gibt es die Witschi AG in diesem hart umkämpften Umfeld trotzdem noch? Wir setzen auf Vertrauen. Bauen ist Vertrauenssache, der Auftraggeber und der Ausführende begeben sich zusammen auf eine Reise. Am Ende dieser Reise muss eine Abrechnung vorliegen, die den offerierten Zahlen entspricht. Wenn diesbezüglich am Schluss keine allzu grosse Differenz entsteht und der Bauherr und dessen Vertretung mit dem fertiggestellten Bauobjekt vollumfänglich zufrieden sind, stellt sich ein gutes Gefühl ein. Dieses Gefühl, das auf beiden Seiten entstehen muss, wollen wir erreichen. Wir sind fest überzeugt davon, dass sich Transparenz auszahlt. Nur so entsteht Vertrauen. Wir müssen nicht zwingend die günstigste Firma sein, aber wir möchten zu den Besten gehören. Nicht nur in der Bauausführung, die qualitativ top sein muss, sondern auch darin, wie wir zusammen mit dem Kunden den Weg beschreiten. Mit guten und verlässlichen Fachleuten, die den Auftraggebenden beratend zur Seite stehen.
Vertrauen entsteht, wenn man sich nahesteht und einander gut kennt. Genau, darum sind uns auch die lokale Verankerung und die gute Vernetzung sehr wichtig. Wir verfügen in der Region über einen sehr guten und auch loyalen Kundenstamm, der mit uns bauen will.
Wie beurteilen Sie das Image der Witschi AG?Wie wird die Firma in der Region wahrgenommen? Ich denke, wir werden grundsätzlich als lokal verbundenes Familiengeschäft wahrgenommen. Eine traditionelle, möglicherweise ein bisschen träge und langweilige Bauunternehmung.
Und? Stimmt das? Ich behaupte, wir sind dynamischer unterwegs als wir wahrgenommen werden.
Warum dynamischer? Weil wir nicht einfach als klassisches Bauunternehmen gelten, sondern weil die Witschi-Gruppe eigentlich ein Sammelbecken von Kleinunternehmen ist. Unternehmen, die agil neben und miteinander funktionieren. Es sind Organisationseinheiten mit einem hohen Grad an Spezialisierung. Wir führen damit weiter, was schon mein Vater gemacht hat. Über Diversifizierung wollen wir erreichen, dass wir unsere Kunden über einen möglichst langen Zeitraum im Bauprojekt begleiten können.
Können Sie das etwas genauer beschreiben? Unsere beiden Hauptpfeiler sind der Hochbau (Neubauten, Umbauten, Sanierungen) und der Tiefbau, wozu vor allem der Strassenbau gehört. Daneben machen wir Bodenbeläge und Beschichtungen, betreiben Logistik- und Materialwirtschaft oder unterhalten eine Asbestsanierungsfirma – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Ausserdem investieren wir in neue Geschäftsfelder, die sich auf das ökologische und nachhaltige Bauen beziehen.
Konkret? Wir haben zuletzt zwei Firmen gegründet, die EcoStreet GmbH und die EcoSoil AG. Letztere richtet sich an eine neue Generation von Bauherren und Planerinnen, die nach neuen, nachhaltigen Lösungen verlangen. EcoSoil bringt Innovation in Bauprojekte, die den Haushalt der Natur möglichst wenig belasten wollen. Unsere Flüssigboden-Methode ist eine wegweisende Alternative zu konventionellen Verfahren im Tiefbau. Vordergründig geht es darum, Aushubmaterial wiederzuverwenden und dadurch Transporte und Deponievolumen zu sparen. Technisch und kostenseitig ebenbürtig, setzt die Methode bei der Nachhaltigkeit ganz neue Massstäbe. So ermöglichen wir allen Baubeteiligten, verantwortungsvoll zu handeln, Ressourcen zu schonen und ein intelligentes Zeichen zu setzen.
Und was macht die EcoStreet GmbH? Das Angebot umfasst, grob gesagt, alle Arten von Verkehrsflächensanierungen, die auf Nachhaltigkeit, Langlebigkeit und Qualität ausgerichtet sind. Wir reden hier unter anderem von Randstein-, Fugen- und Risssanierungen, aber auch von Schlaglochbeseitigungen und Korrekturen von Fahrbahnübergängen.
Das «neuste Kind» ist indessen bei ihrem Bruder Michael Witschi angesiedelt, der ebenfalls im Familienunternehmen tätig ist. Richtig, er hat kürzlich die Solit Energie AG gegründet, die jüngste Tochterfirma der Witschi-Gruppe. Diese Firma hat sich spezialisiert auf smarte, nachhaltige Energielösungen im Bereich Photovoltaik (PV), Stromspeicher-Mobilität und SmartEnergy. Als Energieingenieur kann mein Bruder sein ganzes Wissen in die noch junge, aussichtsreiche Firma einbringen.
Michael Witschi trat 2009 ins Familienunternehmen ein. Sie selbst sind bereits seit 2008 an Bord, als Vertreter der dritten Witschi-Generation. 2009 übernahmen Sie die Geschäftsführung. Verspüren Sie als CEO eines Traditionsunternehmen, das seit 1947 existiert, einen gewissen Druck? Natürlich ist es mit einer grossen Verantwortung verbunden, eine solche Firma mit einer derart langen Tradition zu führen. Von Druck würde ich jedoch nicht sprechen. Den hatte ich auch 2008 nicht, als ich ins Familienunternehmen eingetreten bin. Ich hatte damals die Wahlfreiheit und hätte beruflich auch etwas anderes machen können. Ich bin jedoch aus Eigeninitiative ins Geschäft eingestiegen, weil mir der Gedanke sehr gefiel, etwas Bestehendes weiterentwickeln zu können.
Statistisch gesehen ist es oftmals die dritte Generation, die ein Unternehmen an die Wand fährt. (lacht) Stimmt, davon habe ich auch schon gehört. Von dieser Nachricht lasse ich mich aber nicht beunruhigen. Wie eingangs schon erwähnt: Wir sind stabil unterwegs. Das Gute ist auch, dass wir als Familienunternehmen sehr langfristig orientiert sind. Strategisch gesehen denken wir in Abschnitten von zehn, vielleicht sogar zwanzig Jahren. Wenn es wirtschaftlich gesehen einmal nicht so rund läuft, müssen wir nicht auf Teufel komm raus irgendwelche Hauruck-Übungen vollziehen. Das ist der Vorteil einer inhabergeführten Familienstruktur, man muss nicht den Ansprüchen rein gewinnorientierter Investoren gerecht werden.
Wie akut sind Sie vom allgemeinen Fachkräftemangel betroffen? Relativ stark – und ich befürchte, die Situation wird sich weiter zuspitzen. Schweizweit gesehen haben wir heute in der Baubranche nur halb so viele Lernende wie noch vor zehn Jahren. Dies bei einer gleichbleibenden Gesamtbelegschaft im Bauhauptgewerbe von rund 80'000 Personen. Mit der Witschi AG haben wir deshalb vor einiger Zeit umfangreich ins Lehrlingswesen investiert, für unsere Firmengrösse überproportional. Wir haben extra einen Berufsbildner dafür eingestellt. Diese Fachperson rekrutiert für uns Nachwuchskräfte und bildet diese aus.
Können Sie aktuell noch alle Stellen besetzen? Glücklicherweise ist es uns bis anhin gelungen, gute, qualifizierte Fachkräfte zu halten. Innerhalb unserer Belegschaft können regelmässig Dienstjubiläen gefeiert werden – 10, 20, 30, 40 Jahre bei Witschi. Es ist schön, so viele langjährige, mit der Firma verbundene Mitarbeitende zu haben. Das und eine gewisse Reputation gegen aussen helfen dabei, dass wir offene Stellen im Moment noch gut besetzen können. Nur manchmal, für einzelne Positionen im Kader – für eine Bauführer-Stelle etwa – müssen wir recht lange suchen.
Sie feiern dieses Jahr ein Jubiläum: 77 Jahre Witschi. Warum diese Zahl? Warum gerade jetzt? Schon 1996 beging die Firma mit «7x7 Jahre» ein besonderes Jubiläum zum damals 49-jährigen Bestehen. Eine lustige Idee, die wir mit dem 77-Jahr-Jubiläum weiterführen wollen. Es ist wie ein neues Kapitel, das geschrieben wird. Firmenjubiläen mögen etwas verstaubt wirken, doch ich bin der Meinung, dass sie durchaus ihre Berechtigung haben. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, innezuhalten, zu feiern, auf Vergangenes zurückzuschauen und einen Blick in die Zukunft zu richten. Wir sind glücklich darüber, dass es unsere Bauunternehmung nach 77 Jahren immer noch gibt und dass wir nach wie vor für unsere Kunden und Mitarbeitenden unterwegs sein dürfen. Welche «Schnapszahl» wir in ferner Zukunft als nächstes feiern werden, kann ich Ihnen heute aber noch nicht sagen (schmunzelt).
zur Person
Bendicht Witschi ist CEO der Witschi AG und Mitinhaber und Verwaltungsrat der Witschi-Gruppe. Als Jugendlicher jobbte er auf dem Bau. Nach der obligatorischen Schulzeit schlug er jedoch eine kaufmännische Laufbahn ein. Er absolvierte eine KV-Lehre mit Berufsmatur bei Création Baumann in Langenthal. Für diese Firma konnte er nach dem Lehrabschluss unter anderem im Ausland arbeiten und Berufserfahrungen sammeln. In Bern studierte Bendicht Witschi schliesslich Betriebswirtschaft, gefolgt von Tätigkeiten für Firmen im Exportbereich. 2008 stieg der damals 28-Jährige ins familieneigene Baugeschäft ein. Eine Führungscrew, bestehend aus drei langjährigen Mitarbeitenden, stand damals geschlossen kurz vor der Pensionierung. Bendicht Witschi wurde zunächst als Projektmitarbeiter eingestellt, im Folgejahr übernahm er dann die Geschäftsführung.
Seine Freizeit verbringt der heute 44-Jährige gerne mit seiner Frau Martina Flury Witschi, die ebenfalls in der Firma tätig ist, sowie mit seinen beiden Söhnen Louis (15) und Emil (9). Die Familie wohnt im Langenthaler Allmen-Quartier – im Einfamilienhaus, wo Grossvater Friedrich Witschi vor 77 Jahren den Grundstein zur Erfolgsgeschichte des Familienunternehmens gelegt hatte. Wenn es die Zeit zulässt, geht Bendicht Witschi gerne Gleitschirmfliegen oder spielt Klavier.
Seine Mitarbeitenden beschreiben ihn als fordernden, aber fairen Chef, der aufgeschlossen ist, klar kommuniziert und für Anliegen stets ein offenes Ohr hat. Die Tür zu seinem Büro ist daher – ausser bei wichtigen Besprechungen – in der Regel sperrangelweit offen.
Text: Patrick Jordi
Bild: Martina Flury Witschi
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