baukurier — das Magazin der Witschi AG
Max Hari
Max Hari „zeichnet“ in unserem Werkhof mit der Kettensäge auf Schaltafeln. Sie sind das Negativ für das Kunst-am-Bau-Projekt zum Parkhaus der SRO AG.

Martina Flury Witschi: Im Moment entsteht gerade ein grosses Werk von dir. (4x4 Meter und 4x2,5 Meter) Was unterscheidet diese Arbeit von deinen anderen?
Max Hari: Es ist mein bisher grösstes Werk, jedenfalls was die Höhe anbelangt. Das Besondere daran ist, dass es sich um eine Auftragsarbeit handelt. Die Herangehensweise unterscheidet sich deswegen grundlegend. Normalerweise arbeite ich ganz frei, aus meinem künstlerischen Schaffen heraus und ohne Entwürfe. Erst nach der Entstehung fällt der Entscheid, wo es hinkommt und an wen es sich wendet. Hier schaffe ich ein Werk ganz spezifisch in Verbindung mit dem Parkhaus und dem Spital. Darauf muss ich reagieren. Die Entscheidung, was entsteht, hat also ganz bewusst einen Bezug zum Ort. Weiter ist der Arbeitsprozess ein völlig anderer. Ich muss mich ganz gezielt vorbereiten, während ich meine Bilder sonst in der Entstehung entwickle.
MF: Hat dies mit der Technik oder mit dem Auftrag zu tun?
MH: Mit beidem. Der Dimensionen wegen muss ich schauen, dass ich mich nicht verliere auf diesen 4x4 Metern. Der besondere Ort wirft aber auch die Frage auf, an was für Menschen sich das Werk wendet. Aber es ist eigentlich unmöglich ein Betrachterprofil zu erstellen. Die Spitalbesucher kommen aus allen Bevölkerungsschichten und Altersgruppen und sind in sehr unterschiedlichen Gefühlszuständen. Ich muss mir also eher vorstellen, in welcher Situation und in welcher Verfassung die Betrachter sein könnten. So finde ich zur Themenwahl.
MF: Was für Inhalte sprichst du an?
MH: Mir war schnell klar, dass ich nicht eine rein dekorative ungegenständliche Gestaltung machen wollte. Ich beschäftigte mich lange mit der Frage, welche Motive bedeutsam sind in Zusammenhang mit dem Parkhaus und dem Spital. Das grosse Bild wird dynamisch sein und unterschiedliche Motive vereinen: Die Uhr mit Zahlen, Zeiger und Flügel, auch die Sanduhr kommt vor. Zugleich ist es aber auch das Rad, der Autoreifen. Fast 400 Fahrzeuge finden einen Platz im neuen Parkhaus, da werden viele PS zusammenstehen. Energie, die stillsteht. Dieser Gedanke fasziniert mich. Pflanzliche Motive weisen auf Wachstum und Gedeihen hin. Das zweite Bild betont den medizinischen Aspekt. Ich greife auf die Symbolik aus der griechischen Mythologie zurück: Der Stab mit der Schlange des Aeskulap, dem Gott der Heilkunst. Andererseits verweise ich mit Kopf, Herz und Hand auf das ganzheitliche Menschenverständnis. Das verbindende Element beider Bilder umfasst einen gestalterischen und inhaltlichen Aspekt. Es ist das Labyrinth, welches ich assoziiere mit dem Parkhaus, in welchem man sich verirren kann. Das Labyrinth ist aber auch Symbol für das Leben überhaupt.
MF: Du arbeitest normalerweise alleine in deinem Atelier. Nun ist es anders, du bist bei uns im Werkhof.
MH: Das ist für mich ein tolles Erlebnis. Die Arbeit mit der Kettensäge ist körperlich sehr anstrengend und verlangt höchste Konzentration. Zudem ist das Draussenarbeiten für mich ungewohnt. Abends bin ich total kaputt. Ich finde die Begegnungen mit den Menschen hier auf dem Areal sehr schön. Einige verfolgen meine Arbeit mit einer gewissen Skepsis, andere sind aber auch sehr neugierig und interessiert. Einer eurer Mitarbeiter hat mir ein anderes Werkzeug vorgeschlagen und es auch noch gleich vorbeigebracht. Da läuft ein Prozess, der kann für alle eine Bereicherung sein.
FM: Wie lange setzt du dich schon mit der Arbeit auseinander?
MH: Seit ungefähr drei Monaten. Zuerst sammelte ich viele Ideen im Zusammenhang mit der besonderen Situation und suchte nach Bildmotiven. Dann begann ich zu skizzieren. Langsam konkretisierten sich gewisse Inhalte. Ich probierte aus, wie ich die verschiedenen Motive in Verbindung bringen kann. Schliesslich habe ich einen 1:2-Entwurf auf Papier gebracht. Die Leitlinie, sozusagen. Den Entwurf übertrage ich mit Kohlestift auf die Schaltafeln. Sie sind der Ausgangspunkt für die ersten Schnitte, welche die Komposition festlegen. Ich mache sonst nie Entwürfe, aber hier ist es eine Notwendigkeit, denn eine Korrektur ist nicht möglich. Jeder Schnitt zählt. Danach muss ich die Kohlezeichnungen wegwaschen, damit sie keine Spuren hinterlassen, man würde die sonst im Beton sehen. Von hier an arbeite ich sehr intuitiv und spontan. Ich schaue, wo es noch eine Dynamisierung braucht, wo ich eine Schnittlinie verstärken muss. Diese Arbeit macht mir unglaublich Freude.
MF: Sobald du fertig geschnitten hast, gibst du das Werk aus deiner Hand, und dann macht unser Team um Polier Marc Däpp auf der Baustelle weiter. Die Schaltafeln werden von hier auf die Baustelle transportiert, eingesetzt und schliesslich wird die Wand betoniert.
MH: Ganz entscheidend bei dieser Arbeit ist, dass das Werk im selben Arbeitsgang mit der Wand betoniert wird. Das Parkhaus und das Kunstwerk entstehen aus ein und demselben Guss. Mir gefällt die Vorstellung, dass die Witschi Mitarbeiter dabei die Arbeit vom Negativ ins Positiv umwandeln. Und dann wird ausgeschalt. Auf diesen Moment bin ich sehr gespannt! Wir haben einen Test gemacht, aber ansonsten keine Erfahrung. Bestimmt bin ich nicht der Erste, der so etwas macht, aber ich kenne selber kein Werk, welches auf diese Art entstanden ist. Seit Jahren erstelle ich Arbeiten mit Holzschnitten. Die aktuelle Arbeit ist nun eine Weiterführung. Ich habe von meinem Auftraggeber Marcel Blum eine „carte blanche“ erhalten, ich bin völlig frei. Das ist eine ideale Voraussetzung für einen Künstler. Nur die Technik war vorgegeben.
MF: Was erhoffst du dir von dieser Arbeit?
MH: Ich wollte nicht etwas Monumentales erstellen, denn das Parkhaus hat für sich schon eine hohe Präsenz. Es wird übrigens das schönste Parkhaus, welches ich kenne, und es hat eine überzeugende Architektur. Ich will den Bau auf keinen Fall konkurrenzieren. Das Werk ist ja an einer Durchgangssituation zu sehen. Man kommt vom Spital her die paar Meter zu Fuss zum Parkhaus. Man will nach Hause. Auf dieser kurzen Wegstrecke begegnet man dem Kunstangebot. Man kann dieses wahrnehmen oder nicht. Wenn also gelegentlich jemand stehen bleibt, hochschaut und innehält, nachdenklich wird, vielleicht auch beglückt ist oder sogar Trost findet, wenn also etwas in Schwingung gerät, dann bin ich ganz zufrieden mit meiner Arbeit.
MF: Danke für das Gespräch.
Über den Künstler
Max Hari ist 1950 in Thun geboren. Lehrerseminar, Studium an der Schule für Gestaltung und der Universität Bern. Lehrauftrag am Seminar und Gymnasium in Langenthal und an der Hochschule der Künste Bern HKB. Seit 1982 zahlreiche Ausstellungen in der Schweiz und in Deutschland. Er lebt und arbeitet in Langenthal und Berlin.
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