MARTINA FLURY WITSCHI: Du bist Vorarbeiter und führst eigene Baustellen. Wie kam es, dass du Maurer geworden bist? 
FABIAN BERNHARD: Ich war schon als kleiner Junge auf Bau-stellen. Mein Vater hatte ein Baugeschäft, ich durfte als Bub mit und sah, wie ein Bauwerk entsteht. Nach der Schule wollte ich Landschaftsgärtner werden, realisierte aber schnell, dass Maurer besser zu mir passt, so habe ich nach dem Lehrabschluss im August 2013 eine Zweitlehre als Maurer begonnen, hier in der Witschi AG. 

 
MF: Was hat dir an der Arbeit als Gärtner nicht gefallen?
FB:
Die Arbeit hat mir grundsätzlich schon gefallen. Aber im Winterhalbjahr, als wir viel Unterhalt und Winterschnitt machten, langweilte ich mich relativ schnell. Ich merkte, dass mir das Handwerkliche gefällt, aber nicht in dieser Branche.


MF: Was hast Du aus der Vorarbeiter Ausbildung mitgenommen?  
FB:
In der Schule lernt man nach Schulbuch: Sicherheitsvorschriften, Fachwissen usw. Das ist natürlich alles relevant. Aber ich finde, das Wichtigste habe ich bei der Arbeit mit Polier Daniel Grütter gelernt. Wie man die Arbeit plant und vieles mehr. Würde man zum Beispiel die Personalführung nach Schule machen, dann wäre man viel zu lieb, alle würden machen was sie wollen. Man muss strenger sein. Wenn es nach der Lehrperson ginge, müsste man jeden Tag eine halbe Stunde mit dem Lehrling über die Baustelle laufen und zuerst mal fragen, was er am Vorabend so gemacht hat. Das passt mit dem Alltag auf der Baustelle nicht überein. 

MF: Du führst nun deine erste eigene Baustelle.
BF: In dieser Grösse schon. Kleinere Baustellen habe ich schon alleine geführt. Mit Polier Daniel Grütter zusammen habe ich hier begonnen. Das zweite Haus stelle ich jetzt ohne Polier fertig. Als Vorarbeiter würde man eigentlich eine solche Baustelle nicht ganz alleine leiten. Es ist sehr komplex. Aber ich bekam Unterstützung durch einen anderen Vorarbeiter, und Daniel hat mir die Baustelle bestens übergeben.
 
MF: Bist du herausgefordert? 
FB: Ich bin nicht überfordert, aber gefordert. Ich schüttle es nicht aus dem Handgelenk, aber es geht, es kommt gut. 

MF:Was bedeutet es dir, eigene Baustellen zu leiten?
BF: Ich möchte auch in Zukunft gerne eigene Baustellen führen. Das Organisieren, Planen und Leuteführen gefällt mir. Entscheidend ist für mich dabei, um welche Grösse es sich handelt und wie das Team zusammengesetzt ist. Uns fehlen ausgelernte Maurer. Es ist kein Geheimnis, dass in der Branche ein grosser Fachkräftemangel herrscht. Die Arbeit mit einem ständig wechselnden Team aus Temporärarbeitern und mit Subunternehmen ist nicht zufriedenstellend. Ein konstantes und gutes Team ist wichtig, um hochwertige Leistung zu erbringen. Für das Führen einer Baustelle braucht man einen breiten Rücken und eine gewisse Ruhe. Man muss abschätzen können, was wichtig ist. Wenn man immer rennt, wenn jemand ruft, geht man kaputt. Ich will damit sagen, dass einige zuerst rufen und erst dann überlegen. Wenn ich nicht sofort komme, überlegen die Leute selber, und meistens hat sich das Problem dann gelöst. Ich muss also schnell einschätzen, wie die Leute ticken und wie weit ich mich auf sie verlassen kann. Das ist in einem konstanten Team eben auch einfacher. Ich würde aber auch wieder unter einem Polier arbeiten, damit hätte ich überhaupt kein Problem. 

MF: Fehlen dir hier die richtigen Leute?
FB: Nein, ich habe ein gutes Team. Da wir jetzt am zweiten Haus sind, haben wir alles schon einmal gemacht, wir wissen, wie es geht. Die Aufgaben, die mein Team von mir bekommt, erfüllen sie tipptopp. Ich plane alle Abläufe, entscheide, was wann gemacht wird, und bekomme auch Hilfe von Bauführer Manuel Sollberger. Ich bin nicht ganz alleine. Wenn es nicht geht, melde ich mich. 

MF: Was oder wer motiviert dich? 
FB: Das Endergebnis. Jeden Tag die Fortschritte sehen. Mir gefällt es, wenn man rasch und zügig vorwärtskommt. Ich will Gas geben. Dieser Bau hier ist ganz anders als die letzte Baustelle, wo wir innert Kürze mehrere Mehrfamilienhäuser hochgezogen haben. Es gibt tausend komplizierte Details und kaum rechte Winkel. „Das gibts ja nicht!“, dachte ich zuerst. Ich habe dem Team gesagt: „Wenn ihr irgendwo einen rechten Winkel seht, dann ist wohl etwas falsch gelaufen, dann kommt es sofort melden.“ Aber am Schluss werden diese Häuser cool aussehen. Es ist ein besonderer Bau. Das gibt dann auch etwas zurück. Die grosse Herausforderung ist, dass man alle Materialien zur rechten Zeit vor Ort hat. Und mit den vielen Winkeln und Details entstehen komplizierte Arbeitsabläufe. Man muss gut schauen, dass die Leute wegen einem kleinen Detail nicht plötzlich warten müssen.  

MF:Wie begeisterst du jemanden für deinen Beruf?  
BF: Es ist eine schöne, abwechslungsreiche Tätigkeit. Wenn man sich Mühe gibt, kann man früh viel selber machen. Man hat gute Weiterbildungsmöglichkeiten. Es ist aber auch eine raue Welt auf dem Bau. Es ist nicht jedem gegeben. Man muss etwas abgehärtet sein. Man sollte es zwar nicht verallgemeinern, aber ob jemand schon mal eine Schaufel in der Hand hatte und anpacken kann, sieht man meistens nach einem halben Tag. Bauernbuben sind schon mal im Vorteil. Logisch gibt es auch Ausnahmen. Und man ist draussen. Aber man ist natürlich auch bei schlechtem Wetter draussen. 

MF: Wie hast du deine Lehre bei uns erlebt? 
FB: Ich hatte eine gute Zeit. Beim Arbeitsbuch musste man mich etwas stüpfen, aber sonst lief es rund. 

MF: Wo siehst du Optimierungspotenzial innerhalb der Witschi AG, damit du deine Arbeit besser meistern kannst? 
FB: Wie gesagt, uns fehlen Fachkräfte. Vor allem gute Maurer. Ansonsten finde ich es schwierig, etwas zu sagen. Da meine Baustelle weit entfernt ist, bin ich morgens früh weg und sehe die anderen selten. Wie soll ich sagen, kleine Probleme gibt es überall. Ich fühle mich wohl, sonst wäre ich nicht mehr hier. 

MF: Wie ist es für dich, dass die Baustellen so weit weg sind? 
FB: Wir beginnen lieber am Morgen früher, damit wir um 18.00 Uhr zu Hause sind, dann hat man noch etwas vom Abend. Es sind schon lange Tage, ich stehe um 04.45 Uhr auf und wir fahren um 05.40 Uhr im Werkhof ab. Ich fahre, die anderen können unterwegs schlafen. Mir macht es nichts aus, ich habe mich daran gewöhnt.

MF: Was wünschst du dir für deine berufliche Zukunft? 
FB: Im Moment bin ich glücklich so, wie es ist. Die Arbeit gefällt mir. Vielleicht mache ich bald die Polierschule, vielleicht aber auch gar nicht. Es ist noch vieles offen!

MF:Ich danke dir für das Gespräch.

Zur Baustelle in Beitenwil bei Rubigen:  
Das Humanushaus ist eine sozialtherapeutische Einrichtung. In Wohngruppen und Werkstätten leben und arbeiten 135 Menschen mit Unterstützungsbedarf. Beim Neubau der zwei Wohnhäuser spricht man von organischer Architektur. Die Gebäude sollen sich optimal harmonisch in die Landschaft einfügen. Dank den geknickten Längsfassaden und den modellierten Walmdächern werden die Wohnhäuser optisch verkleinert. Lauben verleihen den Gebäuden Leichtigkeit und wirken als Übergangszone vom Innen- zum Aussenraum. 

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