baukurier — das Magazin der Witschi AG

Ernst Wehrli im Gespräch

Ernst Wehrli, langjähriges Mitglied der Geschäftsleitung, erreicht Ende November 2015 das ordentliche Pensionsalter. Gemeinsam schauen wir auf 41 Jahre in der Witschi AG zurück.

Bendicht Witschi: Ernst, es heisst, man könne dich mit Süssem bestechen. Was müssen wir dir für dieses Interview bezahlen?

Ernst Wehrli: Eine Vacherin-Torte wäre gut. (Lacht.)

In welcher Funktion wurdest Du eingestellt?
Ich wurde eingestellt, um das Witschi interne Ingenieurbüro von Herrn Ingold zu übernehmen. In diesem Büro waren drei Personen angestellt: ein Ingenieur, ein Technischer Zeichner und ein Lehrling. Bis 1985 haben wir Ingenieurarbeiten gemacht, also knapp zehn Jahre, danach mussten wir das Büro schliessen.

Warum?
Andere Ingenieure sahen es nicht gerne, dass wir als Baufirma Ingenieurarbeiten ausführten. Als Konsequenz daraus wurden wir von ihnen nicht mehr empfohlen und immer weniger zur Offertstellung eingeladen. Ich habe die ganze Murgenthalstrasse und die Bützbergstrasse selbst projektiert und geplant. Objekte von einer Grösse, welche Ingenieure gerne gemacht hätten, Arbeiten für den Oberingenieurkreis IV (kantonales Tiefbauamt). Also nicht nur Hausvorplätze oder so.

Damals gab es auch die WTO-konforme Ausschreibungsverordnung noch nicht: Wer ausschreibt, darf nicht offerieren.
Nein, das gab es damals noch nicht. Als wir das Büro aufgaben, hiess es, entweder suchst Du Dir etwas anderes oder du wechselst in die Bauausführung – dies habe ich dann auch gemacht. Wir hatten im Büro ja bereits Arbeitsvorbereitungen gemacht, zum Beispiel Schalungspläne für Betonarbeiten gezeichnet. Früher hatte man etwa ein Jahr Vorbereitungszeit, nicht wie heute nur etwa drei Wochen …

Wie war die Anfangszeit in der Firma, das war ja zur Zeit der Ölkrise?

Ich war Ingenieurstudent am Technikum Burgdorf (heute FH) und konnte während den Ferien immer hier arbeiten, bei deinem Grossvater. Und so hat er wohl gefunden, den Wehrli stellen wir an, auch wenn wir jetzt aufgrund der Wirtschaftskrise eigentlich niemanden brauchen können. Es wäre zu dieser Zeit nicht notwendig gewesen, jemanden einzustellen.

Dein Tätigkeitsfeld hat sich immer wieder geändert. Wann wurdest du in die Geschäftsleitung berufen, erst als mein Vater, Andreas Witschi, starb?
Nein, schon vorher, wir waren gemeinsam in der Geschäftsleitung, das war etwa nach elf Jahren. Das Ingenieurbüro gab es nicht mehr, und ich arbeitete bereits einige Zeit als Bauführer. Andreas und ich haben viel im Belagsbau zusammen gearbeitet. Man hatte damals viel mehr Zeit und weniger Hektik als heute. Ich habe alles vorbereitet: Höhen und Ränder abgesteckt, Drähte gespannt und er hat nach mir den Belag eingebaut.

Wie du sagen alle anderen, die schon lange in diesem Bereich arbeiten, die Berufswelt sei hektischer geworden. Wie hat sich die Branche entwickelt?

Früher hat man länger gearbeitet, ohne zu murren, dafür konnte man es ruhiger nehmen. Aber man hatte auch mehr Personal auf den Baustellen als heute. Vor allem hatte man viel mehr Zeit zur Verfügung für die Vorbereitung. Wenn man heute einen Auftrag erhält, muss man ihn sofort ausführen. Es war ein angenehmeres Arbeitsklima als heute: weniger hektisch, anständigere Umgangsformen. Heute schaut jeder nur zu seinem Feuer. Weil man fast kein Geld mehr verdienen kann, schaut man nur noch für sich und überlässt dem Nächsten auf der Baustelle womöglich auch noch seinen Dreck zum Aufräumen. 1990/91 war der grosse Schnitt. Vorher, auch wenn man wenig Arbeit hatte, wurde die gut bezahlt, so dass man auch etwas verdienen konnte. Dann stürzten die Preise zusammen. Heute erhält man Arbeit, aber man muss immer der Günstigste sein und kann fast nichts mehr verdienen. Mir hat mal jemand, er war aber nicht aus der Baubranche, gesagt: Am Morgen, bevor du aufstehst, musst du wissen, welche Person du heute betrügen willst, sonst kommst du nicht vom Fleck. Aber so wollte ich es nie leben, nicht als Person, und auch die Firma Witschi kann hinter einer solchen Geschäftspolitik nicht stehen. Ich will eine gute Arbeit und auch eine gute Zusammenarbeit. Wir haben jetzt zehn Jahre Hochkonjunktur, aber die Preise haben sich nicht mehr erholt. Die Selbständigkeit der Leute auf dem Bau hat auch abgenommen, es hat wenig Allrounder. Früher gab es mehr Allgemeinwissen, heute ist jeder spezialisiert. Heute sind extrem viele verschiedene Personen am Bau beteiligt, für jede kleinste Sache wird ein Spezialist hinzugezogen. Jeder plant dann seine Sache, und man vergisst sich abzusprechen. So passieren viele Fehler.

Dann ist die Strategie der Firma Witschi in deinen Augen nicht falsch: Wir bieten viel Verschiedenes aus einer Hand.
Ich denke, das ist für viele ein Vorteil, so kann man Kosten sparen, wenn man nur ein Ansprechpartner hat und nicht 20. Weniger verschiedene Anbieter auf der Baustelle zu haben wäre für alle besser, es gäbe mehr Ruhe ins Bauen, und auch die Umgangsformen würden sich bessern.

Glaubst du, dass dies geschehen wird?
Ich weiss es nicht, aber wir versuchen es ja. Bei grossen Objekten ist das wohl ein Wunschdenken. Aber bei kleineren Sachen kann ich es mir durchaus vorstellen, dass auch Architekten merken, dass es für sie von Vorteil ist, wenn sie weniger Ansprechpartner haben. Weil es so einfacher geht, aber auch nicht teurer kommt. Die Honorare der Planer sind ja auch nicht gestiegen, sie müssen auch mit möglichst geringem Aufwand arbeiten.

Vier Jahrzehnte in der Witschi AG, was verbindet dich mit dem Unternehmen?
Ich komme auch aus einem alten Familienbetrieb. Hier ist ein ähnliches Umfeld. Dein Grossvater war für mich ein Bombentyp, dein Vater auch. Ich denke, Ihr zwei seid auf dem richtigen Weg.

Das wäre gerade die nächste Frage: Du hast drei Witschi Generationen erlebt, kannst du zu jeder Generation etwas sagen?
Dein Grossvater, Fritz Witschi, war ein Patriarch. Bei ihm wusste man immer, woran man war. Er stand immer zu seinen Worten. Bei der Anstellung fragte ich ihn, wann muss ich kommen und wie lange muss ich arbeiten, und er sagte: Das werden Sie dann schon sehen, die Arbeit muss einfach getan sein. Niemand sagte mir, ob ich acht, neun oder zehn Stunden arbeiten muss. Am Anfang kam ich um sieben ins Büro und war der Letzte, am nächsten Tag kam ich eine Viertelstunde früher und war wieder der Letzte. Aber ich wollte nicht der Letzte sein, ich wollte wenn möglich der Erste sein, und so kam ich jeden Tag eine Viertelstunde früher, bis ich der Erste war. Und das habe ich beibehalten. (Ernst Wehrli ist jahraus, jahrein immer um 5 Uhr im Büro.) Zu deinem Vater, Andreas Witschi, hatte ich ein sehr kollegiales Verhältnis. Er war mehr ein Kumpel als ein Chef. Nicht so wie Dein Grossvater. Mit ihm war fast niemand per Du. Dein Vater war mit fast allen per Du. Ich mache nicht sofort mit jedem „Duzis“, es ist schwieriger zu kritisieren, wenn man per Du ist. Andreas hatte die Übersicht über das Unternehmen, er war aber immer im Verzug mit Abrechnen, so wie ich auch. Für ihn sind die Leute, die mit ihm zusammen gearbeitet haben, durchs Feuer gegangen.

Darum hat die Firma 1992 auch seinen Tod überlebt?
Ja, denn wir hatten ja viele Freiheiten unter ihm. Im Sommer war er ständig mit den Strassenbauern unterwegs. Andreas Schärer, August Giesser, Heinz Reber und ich waren am Hauptsitz und im Werkhof und hatten Kontakt mit den Kunden. Obwohl … vor allem als Andreas gestorben war, merkte ich zum Teil schon, dass ich nur Herr Wehrli war, und nicht Herr Witschi. Aber wenn Friedrich Witschi während seiner aktiven Zeit gestorben wäre, wäre dies für die Firma viel schwieriger gewesen. Nicht wegen seiner Fähigkeiten, sondern wegen seinem Führungsstil. So war es nach Res’ Tod möglich, die Firma weiterzuführen.

Während 15 Jahren war unsere Familie nicht operativ in der Firma vertreten.
Für mich war es eine schöne Zeit. Ich konnte viele verschiedene Sachen machen. Für Abwechslung musste ich nicht die Stelle wechseln. Eine Weile habe ich auch den Werkhof geführt, ich habe die Sparte Beton Bohren und Schneiden aufgebaut.

Wir sind nun auch schon acht Jahre dabei, was kannst du zu Michael und mir sagen?

Heute bin ich optimistisch. Es brauchte aber seine Zeit. Ich muss ehrlich sagen, ich hatte anfangs Bedenken. Ich habe es Euch bereits gesagt. Zuerst kamst Du in die Firma, du bist der Kaufmann, jetzt brauchtest du noch einen Techniker, dann kommt es gut. Michael ist für mich ein Haudegen, er hat einfach den Nachteil, dass er seine eigentliche berufliche Ausbildung nicht im Bausektor gemacht hat. Aber er ist ganz ein gescheiter Kopf, und heute bin ich überzeugt, dass es gut kommt. Es ist auch an mir gelegen, dass ich anfangs Mühe hatte. Ich habe zuerst schubladisiert. Aber ich bin froh, dass ich an den Kaderschulungen dabei war. Du hast mir ja gesagt, dass Du erstaunt warst, dass ich gekommenen bin. Zuerst wollte ich nämlich gar nicht mitkommen, aber Susanne sagte, warum gehst Du nicht mit, und dann dachte ich, warum eigentlich nicht. Und es hat mir wirklich gut getan, und ich habe viel gelernt. Ich habe gelernt, nicht sofort zu schubladisieren, und das finde ich wertvoll. Ich habe gelernt, dass es Zeit braucht, sich zu finden.

Dein Einsatz am Arbeitsplatz ist enorm. Wo holst Du Dir die nötigen Kräfte dazu?

Der Ernst ist zufrieden wenn er beim Witschi arbeiten und zu Hause im Garten herumwursteln kann. Der Garten ist für mich Erholung. Wenn ich nach Hause komme, gehe immer als Erstes in den Garten und schaue, wie es ihm geht. Rasenmähen zum Beispiel, das tut mir gut. Als Kinder mussten wir in der Gärtnerei mithelfen, samstags und sonntags, das war einfach so.

Ende November bist du pensioniert. Wie geht es weiter?

Ich möchte gerne noch etwas arbeiten und dazu einfach ein bisschen mehr Zeit für den Garten haben. Ich werde vor allem in der Kalkulation und für Projekte arbeiten. Wir haben bereits einige Kunden, die gerne immer wieder kommen. Zurzeit sind die Ingenieure auch überlastet. So tut es ihnen weniger weh, wenn wir auch wieder planen und zeichnen.

Du bist derjenige mit der langjährigsten Erfahrung in unserer Firma, und wir sind froh, dass wir dich als Berater und Mitarbeiter noch etwas behalten dürfen. Ich danke Dir für das Interview, und die Bezahlung folgt noch in Form einer Vacherin-Torte.

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